ANKA SCHMID

Magic Matterhorn

Documentary  1995, 35mm, 85 mins.

Image: Le Cervin Magique Image: Le Cervin Magique 

A playful search for today’s sentiments of home. The film takes us through real and imaginary worlds, confronts specific conditions of life with clichés and takes a delight in kitsch.


DirectorAnka Schmid
WithUrsli, Toni und Lilo Pfister; Fred Burri
PhotographyCiro Cappellari
SoundIngrid Städeli, Albert Gasser
EditingInge Schneider
MusicBen Jeger
Duration85 mins.
Format35mm
Shooting format35mm
VersionsOriginal Version: Swiss-German; German and English with german and french subtitles
Festivals/ScreeningsNyon, 26e Festival Int. du Cinéma Documentaire, 1995
Les Diablerets, 27e Festival International du Film Alpin, 1996, Prix Spécial
Figueira da Foz, 25e Festival international de cinéma, 1996
Trento, 44. Filmfest. Int. Montagna Esplorazione, .1996
Minneapolis/St. Paul, 14th Rivertown Int. Film Festival, 1996
Créteil, 18e Festival Int. du Film de Femmes, 1996
Solothurn, 31. Solothurner Filmtage, 1996
Hongkong, 1998
Bejing, May Festival 2011
CoproductionInsert Film (CH)
ISAN0000-0000-D751-0000-4-0000-0000-P

[Text available only in german:]

Heimat zwischen Klischee und Realität

Anka Schmid im Gespräch mit Verena Zimmermann und Hanspeter Rederlechner

Anka, wie bist du zum Thema "Heimat Schweiz" gekommen?
Wegen meines Berufes musste ich oft weggehen. Im Ausland bin ich mit mit meinem Schweizerin-Sein konfrontiert worden. Vor allem bei der Begegnung mit gängigen Vorurteilen habe ich gemerkt: Hier bin ich fremd. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich mein Schweizerin-Sein nicht verleugnen will, und habe gemerkt, wonach ich mich sehen.

Damit hast du dich einem neuen Thema zugewandt.
Nein, "Magic Matterhorn" ist eigentlich mein zweiter Schweizer Film. Der erste, "Praktisch & Friedlich", ist ein Zwei-Minuten-Beitrag zu den "Bulles d'utopie" (1991). Er ist der erste Film einer geplanten Schweizer Trilogie und dreht sich um das Schweizer Taschenmesser. Das Messer, das "Swiss Army Knife", ist einer der typischen Gegenstände, denen man überall auf der Welt begegnet. Einem anderen weltweiten Schweizer Wahrzeichen, dem Matterhorn, ist der neue Film gewidmet. Der dritte wird sich mit der Figur des Heidis auseinandersetzen. Irgendwann einmal.

Du stellst in deinem Film Zermatter Bauern vor. Weshalb interessieren sie dich?
Ich zeige Bauern, aber sie sind nicht das Thema des Films. Das Thema ist das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umgebung, das heisst, zu ihrer Heimat. Die Zermatter Teilzeit-Bauern leben und arbeiten in einer technisierten Welt, dennoch sind sie mit ihrer Nebentätigkeit fest in ihrer Umgebung verwurzelt. Mich interessiert der Gegensatz zwischen diesem Eingebunden-Sein und dem Bruch, der heute überall durchgeht, auch in Zermatt.

Von den Zermatter Bauern aus machst du den Sprung zu Leuten, die anderswo leben und die das, was sie Heimat nennen, von aussen und als Idylle sehen. Ihre Heimat macht den Eindruck von etwas Künstlichem.
Du denkst jetzt an Fred? Er schaut die Schweiz von aussen an und definiert sie als Heimat. Was Fred sagt, ist für mich etwas anderes, als was er ist. Das ist ja das Spannende. Er sagt, er kann nicht in der Schweiz leben, aber die Schweiz bezeichnet er dennoch als Heimat, nach der er sich seht. Man spürt, Fred ist in Amerika daheim. Aber er greift mit dem Wort Heimat auf eine Idylle zurück. Er kann seine Sehnsucht sehr klar definieren: Das ist Heimat.

Wie kamen die "Geschwister Pfister" in deinen Film?
Die "Geschwister Pfister" sind, wie ich, Schweizer im Ausland, die sich, wenn auch ganz anders als ich, mit dem Bild der Schweiz befassen. Sie hängen ihre fiktive Pfister-Geschichte am Matterhorn auf und präsentieren eine sehr unterhaltsame Show. Was sie machen, ist dem verwandt, was ich mit dem Film machen will.

Mich interessiert bei den "Geschwistern Pfister" der Punkt, wo sich Klischee und Realität berühren. Die Pfisters spielen, mit all ihren Plattitüden, auf das Heimweh an. Das ist für mich Anknüpfungspunkt, weil ich weiss: Auch Klischees haben etwas Echtes, und das sind die Gefühle, die dahinter stecken.

Die "Geschwister Pfister"-Teile setzen sich deutlich gegen den Rest des Films ab.
Ich habe die Bühnen-Show der "Geschwister Pfister" für die Kamera inszeniert. Mit der poppigen farbigen Videotechnik und dem Bluebox-Verfahren wollte ich ihre Erscheinung verdichten. Ich habe eine Fernsehstudio-Situation geschaffen, in der sie sich direkt an die Kamera wenden, anders als die übrigen Personen des Films, die mit mir sprechen. Ich gebe den Pfisters als Hintergrund das schöne Bild der Schweiz: Alpenblumen, Kühe, allerdings in verfremdeten Aufnahmen, Zermatter Geranien-Fenster, Souvenirs. Ich wollte die Pfisters stark von den Dokumentarszenen absetzen und ich wollte offen lassen, was an ihrer Show, die absolute Fiktion ist, vielleicht doch wahr sein könnte.

Im Film zeigst du, wie das Matterhorn zum Versatzstück wird, zu einem Gegenstand, der vermarktet wird. So sehr, dass man sich am Schluss fast fragt, existiert das Matterhorn wirklich.
Das Ganze ist eine Gradwanderung. Ich versuche, beide Seiten zu zeigen - das vermarktete, das kopierte Matterhorn und den tatsächlichen Berg und seine Schönheit. Wenn du vor ihm stehst, ist er unendlich gross, unendlich schön. Er hat einfach mehr Power als alle Bilder. Dies filmisch wiederzugeben, war eine Herausforderung. Das Bild des Matterhorns kennt man. Nun nochmals ein Bild zu machen und dieser Erfahrung gerecht zu werden, das ist schwierig.

Es geht um zwei gegensätzliche Realitäten, um den Berg und die Kunstwelt. Mir scheint, die lockere Struktur des Films macht dafür ganz besonders hellhörig.
Dass der Film am Schluss so locker kommt, war die grosse Arbeit bei der Montage. Die Lockerheit erlaubt der Zuschauerin, dem Zuschauer, mit eigenen Gedanken zu reagieren.

Ich habe gewagt, unterschiedliche Mittel zu kombinieren, den beobachtenden Dokumentarfilm neben die Fiktion und neben die spielerische Animation zu setzen.

Wie hast du recherchiert, was ging den Dreharbeiten voraus?
Den Film habe ich in wenigen Monaten gedreht, die Vorarbeiten aber haben sich über drei Jahre hingezogen. In Zermatt habe ich mich an jene Bauern gewandt, die Kühe haben und bin auf grosse Offenheit gestossen. Dabei hat mir meine Walliser Herkunft geholfen.

Ich bin während der ersten zwei Jahre immer allein in Zermatt gewesen. Beim ersten Mal habe ich wirklich, so wie im Film aufgenommen, Germann mit den Kühen hinunter kommen sehen, bin auf ihn zugegangen und habe gefragt, ob ich einmal vorbeikommen und mit ihm reden könne.

In Zermatt, auch in Kalifornien arbeitet du mit Beobachtungen und mit spontanen Reaktionen. Der Kommentar dagegen ist reflektierend erarbeitet und fügt sich nicht in die Bilder, sondern legt sich über den Film; die Kunst- und Hochsprache hebt sich von den Dokumentarszenen ab. Weshalb dieser Überbau?
Ich vertraue Bild und Ton. Dennoch, und obwohl ich mich in diesem Film mit den unterschiedlichsten Bildformen ausdrücke, hatte ich das Gefühl, ich müsse mich auch mit Worten einbringen. Hinter "Magic Matterhorn" steht meine Auseinandersetzung mit Heimat und mit der Frage, was Heimat sein könnte. Das wollte ich sehr deutlich einbringen. Ich habe Sprache sehr gern, aber Schreiben ist nicht mein Metier. Deshalb habe ich mich für die Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Nicole Müller entschieden. Nicole hat aufgrund eines intensiven Gedankenaustausches den Kommentartext verfasst. Es ist ihr Text, allerdings im Hinblick auf den Film geschrieben.